This text is also available in English: How to be happy?
Was macht Dich glücklich? Und: wofür bist Du dankbar? Dieser inspirierender TED Talk des Benediktiner-Mönchs David Steindl-Rast zum Glücklichsein hat mich sehr zum Nachdenken angeregt.
Gerade in Zeiten, wo Flüchtlingsströme nach Europa und Deutschland kommen und diese Menschen nicht überall willkommen geheißen werden, sollten wir uns die Frage stellen, ob wir glücklich sind. Denn Hass entspringt dem, der es nicht ist. Somit wird Glücklichsein zum Killer-Kriterium für ein friedliches Miteinander. David Steindl-Rast hat dazu eine schlichte und treffende Antwort.
Glück kommt von Dankbarkeit und nicht anders herum
David Steindl-Rast erklärt das Prinzip so wunderbar einfach und klar, dass es einfach Jedem einleuchten wird. Oder bilde ich mir das ein?
Glücklichsein ist Killer-Kriterium für ein friedliches Miteinander Share on XIch selbst bin nicht der spirituelle Typ. Zumindest nicht im Sinne von Geistlichkeit oder Religiosität. In meiner Familie gab es so viele Weltreligionen, dass meine Eltern sich einfach nicht entscheiden konnten, wie sie mich taufen sollten. Meine Mutter war katholisch, die Oma evangelisch und mein Vater ist Muslim. Sie ließen mir selbst die Wahl und so stehe ich heute dem Buddhismus am nahesten. Ich mag, dass es dort um das Tun geht und nicht nur ums Reden oder Predigen. Der Atheismus liegt mir, nämlich dass nicht “da oben” Jemand alles für uns regelt, sondern dass es unser Handeln ist, das Gutes tut. Danach lebe und handle ich.
Spirituell im Sinne von Geistig bin ich dagegen wohl. Das treibt mich auch an, zu bloggen. Weniger die pure Selbstdarstellung, die vermutlich zuallererst unterstellt wird, sondern wirklich etwas zu verändern. Und Denkanstöße dazu zu geben.
Multikulti ist eine gute Basis für ein Wertegerüst
(Bedenklich, liebe Autokorrektur: da wird aus meiner Überschrift “Von Multimulti zum Werbegerüst”…)
Ich bin in meiner wunderbaren Multikulti-Familie groß geworden, die mir ein ordentliches Wertegerüst mitgegeben hat. Wenn ich darüber nachdenke, kann ich nicht mal sagen, wo dieses Gerüst genau herkommt oder wer mich am meisten geprägt hat. Vielleicht liegt es aber genau darin, dass ich ständig gefordert war zu reflektieren. Der Kindergarten, die Schule haben mich deutsch sozialisiert, mein Umfeld außerhalb der Familie war mehr oder weniger “normal deutsch”. In der Familie gab’s aber kein “normal” und das war auch gut so. Meine Oma gehörte zu den Vertriebenen aus Schlesien, d.h. sie hat zu Kriegszeiten ihre Heimat mit fünf Kindern an der Hand verlassen und musste sich alles neu aufbauen. Sie arbeitete hart dafür und sicherte so ihren Kindern eine Zukunft.
Meine Mutter war also “Deutsche der 1. Generation”, mein Vater ist Syrer, der zur großen Zeit der Gastarbeiter, meiner Mutter zuliebe, nach Deutschland einwanderte. Und auch wenn ich in Deutschland groß geworden bin, so verbrachten wir – typisch Migrantenfamilie – immer die gesamten Sommerferien in Syrien. Auch dafür bin ich sehr dankbar. Denn die Kultur, das Leben, das Wesen der Menschen erfahren wir nur, wenn wir eintauchen in ihre Welt, mit ihnen leben, nicht nur bei oder neben ihnen. Ich tauchte mindestens sechs Wochen, Jahr für Jahr, in das syrische Familienleben ein. Ich lernte die Sprache meiner Familie und genoss die Warmherzigkeit, Bodenständigkeit, Familienfreundlichkeit, Beharrlichkeit, ja Größe der syrischen Menschen.
Heute vermisse ich es, dass ich nicht mal eben hin kann zu ihnen. Immerhin finde ich sie auf Facebook, bin so fast bei ihnen, erlebe was sie tun, denken – zumindest der Teil, der halb öffentlich sein kann – was sie bewegt. Für diese Möglichkeit bin ich Facebook dankbar. Dass ich Chancen erhalte, ihnen und anderen syrischen Menschen zu helfen, wenn es irgendwie geht, macht mich glücklich. Frage ich die Syrer, wie es ihnen geht, sagen sie „gut“. Und sie meinen es auch so. Sie sind dankbar, wenn sie zu essen haben, Strom, die Familie. Und wenn in der letzten Nacht keine Bomben in der Nähe heruntergekommen sind. Für uns unvorstellbar weit weg. Näher dran zu sein bedeutet auch, sie zu verstehen und mit ihnen dankbar zu sein. Diese Nähe tut (oder muss ich noch sagen “täte”?) uns allen gut.
Werte als Schatz
Fakt ist: Ich wurde mit Werten groß, mache mir diese sehr bewusst und diese Werte sind heute mein größter Schatz, sowohl im Privaten – wenn ich beispielsweise über die Erziehung meiner Kinder nachdenke oder den Umgang mit Freunden und Nachbarn -, als auch als Unternehmerin und Chefin von Mitarbeitern. Mein Handeln ist grundlegend wertgetrieben. Als ich vor Jahren genau dafür einen Wirtschaftspreis erhielt, nämlich die “Karriere des Jahres” von Capital, war ich ziemlich baff – und dankbar. Gab es doch diesen Preis nicht für reines Umsatzwachstum oder gierige Ziele, sondern dafür, dass mir Werte wichtig sind. Ob man als Arbeitgeber immer Dankbarkeit sät, das beschäftigt mich sehr und dazu werde ich sicher auch noch mehr schreiben.
Aber zurück zum Ursprung. Sind wir – jeder Einzelne, aber auch wir als Gesellschaft – glücklich? Sind wir dankbar?
Wofür wir dankbar sein können
Der Benediktinermönch gibt die Antwort. Wir sind für Dinge dankbar, die uns geschenkt werden. Es geht nicht um das, was wir erarbeiten, kaufen oder erwarten können, sondern um das, was uns gegeben wird. Gelegenheiten, die sich ergeben. Und diese muss für uns persönlich wertvoll sein – nicht im kapitalistischen Sinne, sondern persönlich. Die Frage ist, wie erkennen wir diese Gelegenheiten und entdecken die Dankbarkeit?
Eine Anleitung zur Entdeckung der Dankbarkeit
David Steindl-Rasts Anleitung ist so einfach: stoppen – sehen – gehen.
Wir verpassen Gelegenheiten, weil wir nicht stoppen und innehalten. Die Buddhisten läuten eine Glocke, um sich in diesem Moment in Achtsamkeit zu üben. Diese Übung hat auch mir geholfen, mir dessen bewusst zu werden, was ist. Jetzt. Im Moment. Den Moment zu genießen, nicht im Gestern oder Morgen zu weilen. Und für den Moment, die Gelegenheit, dankbar zu sein. Und wenn ich von „habe“ spreche, dann meine ich nicht das monetäre Haben, die greifbaren Güter, nach denen wir scheinbar streben. Darum geht es nicht. Es geht genau um die Gelegenheiten. Um die Möglichkeit, diese zu ergreifen, sie zu sehen und etwas im Positiven zu ändern. Wir sollten nicht stets rennen und von einem Moment zum anderen hechten. Sondern in jedem Moment innehalten und sehen. Dankbar sein. Wenn man das beherrscht, dann kann man sich auch wieder viel vornehmen – und wird es genießen.
Dankbarkeit als Friedensstifter
Wer dankbar ist, wird nicht angstvoll sein, sagt der Benediktinermönch. Und wer nicht voller Angst ist, ist auch nicht gewalttätig. Im Gegenteil, er ist bereit zu teilen und sich am Unterschied zwischen den Menschen zu erfreuen. Er wird respektvoll sein. Dankbare Menschen sind freudvolle Menschen. Wenn diese sich in kleinen Gruppen vernetzen und interagieren, können sie die Welt verändern. Das ist so wahr wie kraftvoll. Leute, unser Netz, die digitale Welt ist doch wie geschaffen dafür, oder?
Lasst uns die Welt verändern
Eine schönere Nachricht kann es in Zeiten des Fremdenhasses nicht geben. Lasst uns dankbar und glücklich sein und damit die Welt verändern. Ich treffe eine Menge Menschen, die genau so ticken und dabei sehr glücklich sind. Wenn wir gemeinsam diese einfache Mission in die Welt tragen und stets gemeinsam daran arbeiten, können wir womöglich aus Dankbarkeit eine Revolution zum Glück anstossen.
Und bei diesem Glück die vielen Menschen mitnehmen, die einfach dankbar sind für das, was sie haben. Bei den Flüchtlingen mag das – von außen betrachtet – nicht viel sein. Aber sie sind dankbar und glücklich, bei uns in Deutschland ein friedvolles, neues zu Hause zu finden. Jeder Einzelne sollte sie dabei nach all seiner Kraft unterstützen. Wir sehen dieser Tage sehr viele Beispiele dieser Unterstützung. Und ich bin sicher, dass jede helfende Hand dankbar dafür ist, dass sie helfen kann.
Seid dankbar, und glücklich – Glücklichsein ist gar nicht schwer
Jeder von uns sollte für die Sicherheit dankbar sein, die wir haben. Und die Chancen, die wir und unsere Kinder in diesem Land haben. Die Liste unserer Chancen ist lang. Jedes Jammern ist auf hohem Niveau. Wenn jeder Einzelne von uns dankbar ist für all diese Selbstverständlichkeiten, müssten wir zu einem glücklicheren Deutschland gelangen. Und damit weniger Hass. Die vielen Flüchtlinge werden mit viel Dankbarkeit und wunderbarem Multikulti unser Glück bereichern. Fangt gleich an: haltet inne, schaut und handelt. Für Euch, Eure Familie, Freunde und Menschen, denen Ihr eine Hilfe sein könnt. Seid glücklich.
Und wenn Ihr direkt jetzt etwas Gutes tun wollt, unterstützt doch bitte die Fundraising-Kampagne der #BloggerFuerFluechtlinge. Danke 🙂